Das römische Lager in Wilkenburg Hemmingen / Hannover

Denkmal und außerschulischer Lernort

Das 2015 entdeckte Marschlager ist ein archäologischer Schatz und für Bevölkerung und Forschung von fundamentaler landesgeschichtlicher Bedeutung. Es ist das einzige bekannte nicht überbaute Marschlager nördlich des Limes und zugleich das nördlichste in Deutschland – und außerordentlich fundreich. Für den sogenannten „bellum immensum“ (gewaltigen Krieg) 1 bis 5 n. Chr. ist es zugleich das einzige bekannte Marschlager überhaupt. Es genießt den höchsten Denkmalstatus, den das Land vergeben kann, da es bisherige Ansichten zu den römischen Feldzügen vor 2000 Jahren revidiert und auf neue Marschwege im rechtsrheinischen Germanien hinweist – dennoch droht es dem Kiesabbau zum Opfer zu fallen.

 

 

Ein besonderes Marschlager

Bei Wilkenburg in der Gemeinde Hemmingen gelegen, unweit der Leine, ist das Lager nur etwa 1 km von der südlichen Stadtgrenze Hannovers entfernt.

Das etwa 40 Hektar große Lager erstreckte sich über mehr als 500 x 600 m – Platz für über 20.000 Legionäre, entsprechend 3 Legionen incl. Hilfs- und Reitertruppen. Es wurde wahrscheinlich für mehrere Wochen genutzt. Die archäologischen Untersuchungen des Niedersächsischen Landesamtes für Denkmalpflege (Team Bezirksarchäologie F.-W. Wulf, V. König, E. u. H. Nagel) und der Universität Osnabrück (Provinzialrömische Archäologie) bestätigten die typisch römischen Merkmale: V-förmige Spitzgräben und Abrundungen in den Eckbegrenzungen des Lagers, wie bei einer Spielkarte. Das Lager liegt auf einer sandigen Kuppe, welche einen trockenen Platz sicherte. Zudem lag diese Stelle strategisch gut an dem schmalsten Übergang der Leineniederung in diesem Gebiet. Hier konnten die Legionäre auf trockenem Boden verweilen, bevor sie übersetzten. Ungewöhnlich ist das Einbeziehen eines Wasserlaufs (Landschaftsschutzgebiet Dicke Riede) ins Lagergelände, welcher offenbar die Frischwasserversorgung der Legionen sicherte.

 

Spektakuläre Funde

Das Gelände ist ungewöhnlich fundreich, bisher konnten etwa 3000 Buntmetallfunde geborgen und eingemessen werden, davon mehr als 300 als römisch identifiziert. Römische Spielwürfel, Sandalennägel, Rüstungsteile, Kleingeld der Legionäre, Teile von Pferdegeschirr, Pinzetten zum Bartzupfen, Appliken in Tierform, Löffel und Fibeln gehören zum typischen Fundspektrum. Besonders wichtig für die Datierung sind die über 70 gefundenen Münzen. Die älteste Münze datiert 113 v. Chr. (Denar der röm. Republik) die jüngste römische Münze 2/1 v. Chr (Gaius-Lucius-Denar). Manche Münzen sind halbiert oder geviertelt, um, wie die zahlreich gefundenen keltischen Kleinmünzen (über 20 Aduatuker-Erze), als Kleingeldersatz für Würfelspiele, Weingelage und Wechselgeld zu fungieren. Das Lager fällt damit in die römische Okkupationszeit unter Kaiser Augustus. Die Fundmünzen erlauben eine wahrscheinliche Datierung zwischen 1 v. Chr. bis 6 n. Chr. Der römische Historiker Velleius Paterculus (II,105) überlieferte, dass der spätere Kaiser Tiberius, Adoptivsohn des Augustus (und sogar in der Bibel erwähnt), in einem „gewaltigen Krieg“ in den Jahren 4 und 5 n. Chr. zwei Feldzüge zu den Cheruskern (Leine - Mittelweser - Deister - Harz) und Langobarden (Elbe) unternahm. Ziel war es, diese aufständischen, wilden Germanenstämme zu unterwerfen. Damit ließe sich das Marschlager in diesen „bellum immensum“, möglicherweise auf 4 oder eher 5 n. Chr., datieren.

 

Die Bedrohung durch Kiesabbau

 

Trotz seiner Bedeutung ist das Römerlager, immerhin das größte prähistorische Bodendenkmal und das zweitgrößte Bodendenkmal Niedersachsens, akut vom Kiesabbau bedroht. So könnte diese historische Stätte von europäischer Bedeutung bald in einem Kiessee verschwinden. Weder die Region Hannover, noch das zuständige Ministerium für Wissenschaft und Kultur stellen sich ihrer Verantwortung, dieses Bodendenkmal als Bildungsstätte und Forschungsreserve unbedingt für die zukünftigen Generationen zu erhalten. Sie, als Leserin oder Leser, können den Kampf für den Erhalt unterstützen. Die Römer AG Leine (RAGL) stellt Infotafeln auf, gibt Flyer heraus, veranstaltet Führungen und Vorträge und realisiert ein Informationszentrum. Unterstützen Sie unsere Arbeit durch eine kleine Spende an:

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